>> Alexander Gutzmer, Publizist und Professor für Medien und Kommunikation an der Berliner Quadriga-Hochschule
Wo liegen die Herausforderungen für den Berufsstand der Planer*innen in der Zukunft?
Die Welt wird komplexer, die Architektur muss es auch werden. Bauherren und Gesellschaft erwarten von unserer Branche Antworten auf die zentralen Herausforderungen von morgen: Nachhaltige Umgestaltung von Gesellschaft. Anhaltende Globalisierung trotz der diskursiven Entzauberung des Begriffs. Erosion jeglichen Verständnisses von gesellschaftlichem Konsens. Urbanität der Zukunft. Hierauf architektonische Antworten zu finden ist ungemein anspruchsvoll – aber möglich.
Kommen die Planer*innen ihrer Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft angemessen nach?
Diese Frage schreit eigentlich nach einem „nein“, und in der Architektenschaft herrscht häufig auch eine Art autozentrierte Zerknirschtheit. Ich würde mal die Gegenthese formulieren: Gemessen an ihren Möglichkeiten, versuchen Architekten tatsächlich, Gesellschaft zu formen und wichtige Lösungen voranzutreiben. Natürlich kann man immer noch mehr tun, und natürlich gibt es viel willfährige Auftragserfüllungsarchitektur. Aber es gibt auch immer wieder Architekten, die Haltungen formulieren und diese auch in konkrete Gebäude einfließen lassen. In meinem aktuellen Buch diskutiere ich übrigens solche Beispiele.
Sind die Planer*innen für die Zukunftsgestaltung überhaupt relevant? Welche Handlungsfelder müssen fokussiert werden, um eine bedeutsame Rolle innerhalb unserer Gesellschaft zu spielen?
Natürlich sind Architekten relevant. Die wesentlichen Herausforderungen von heute – Klimawandel, Mobilitätsrevolution, globaler Clash of Civilizations and Cultures, Populismus – sind entweder inhärent raumbezogen oder äußern sich zumindest räumlich. Damit stehen Architekten als Experten des gebauten Raumes im Kern der Debatte – oder sollten zumindest dort stehen. Sie müssen diese Position aber natürlich auch anstreben. Das heißt, eine proaktive Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs ist gefragt. Und übrigens: Wenn das dann heißt, dass man sich dem Verdacht des „Stararchitektentums“ aussetzt, dann ist das im Zweifel auch mal nicht schlimm. Die Binsenhaftigkeit, mit der dieser Vorwurf in der Profession umhergeistert, langweilt mich ohnehin.
Wird der Nachwuchs auf die Herausforderungen der Zukunft gut vorbereitet?
Der Zuschnitt vieler universitären Curricula auf die Rolle des unabhängigen Büroinhabers ist sicher zu hinterfragen. Zugleich stellt sich mir die Frage, wie das Bachelor-Master-System zum Blühen gebracht werden kann. Dessen Idee ist ja, in einem Bachelor Grundlagen eines Faches so weit vermittelt zu bekommen, dass man im Master ein hohes Maß an Wahlfreiheit hat. Es wäre gut, wenn wir Architekten hätten, die zum Beispiel einen Master in Psychologie, Kulturwissenschaften, Volkswirtschaft oder auch Geschichte hätten. Um diesen Ansatz zu verfolgen, müsste das Bachelor-Studium sicher reformiert werden.
Was möchten Sie den Planer*innen aus Ihrer Perspektive mit auf den Weg geben?
Wir brauchen eine Architektur, die selbstbewusst auftritt, die mutig Lösungen für die Herausforderungen von morgen formuliert. Eine Architektur, die integrative, offene, aber auch ausdrucksstarke Räume schafft, zugleich aber auch den Wert solcher Räume auf den Punkt bringt, der Öffentlichkeit gegenüber genauso wie gegenüber Bauherren oder Entwicklern. Eine Architektur, die Menschen zusammenbringt und die Identifikation mit urbanen Räumen fördert, ohne sich in Zitaten vergangener Strukturen zu verlieren. Das Projekt Metropole ist immer noch eines der ganz großen, die die Menschheit umtreibt. Architekten müssen Treiber und Advokaten dieses Projektes sein – gerade in Zeiten, in denen es die Menschen wegen corona-induzierter Angst aus den Städten heraustreibt.