>> Prof. Dr. Tanja Remke, Innenarchitektin
Wo liegen die Herausforderungen für den Berufsstand der Planer*innen in der Zukunft?
Neben den bereits vielfach zitierten ökologischen Aspekten liegt eine große Herausforderung darin, den Anforderungen an eine sich grundlegend verändernde Gesellschaft gerecht zu werden. Wir denken vernetzt, wir agieren interdisziplinär, wir wollen uns einbringen. Beteiligung, Teilhabe und Partizipation sind Schlagworte, die den Berufsstand der Planer*Innen schon heute verändern. Insbesondere bei komplexen, öffentlichen Bauaufgaben müssen ernst gemeinte Beteiligungsprozesse „auf Augenhöhe“ integraler Bestandteil einer jeden Planung werden. Meine These lautet: 50 % Planung und 50 % Kommunikation!
Kommen die Planer*innen ihrer Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft angemessen nach?
Wenn Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft definiert ist als eine holistische Betrachtung von Innovation, Gestaltung, Ökonomie und Gesellschaft mit dem Ziel eines ressourcenschonenden und für die jeweiligen Nutzer adäquaten Bauens, dann würde ich sagen, wir sind auf dem Weg: Vernetzt Denken und interdisziplinär Handeln - zum Glück werden Planungsprozesse immer häufiger auf diese Weise organisiert.
Dazu gehört auch ein neues Bewusstsein für den Bestandserhalt. Die Sanierung und Weiternutzung bestehender Gebäude muss eine wichtige Bauaufgabe der Zukunft sein - hier ist sicherlich noch Überzeugungsarbeit zu leisten.
Sind die Planer*innen für die Zukunftsgestaltung überhaupt relevant? Welche Handlungsfelder müssen fokussiert werden, um eine bedeutsame Rolle innerhalb unserer Gesellschaft zu spielen?
Gebauter Raum ist Aktionsraum für menschliches Handeln. Genauso wie wir „nicht nicht kommunizieren können“ (Watzlawick), können wir Zukunft nicht ohne den uns umgebenden Raum denken. Architektur, Innenarchitektur und Stadt- und Landschaftsplanung begegnen uns überall, alle vier Disziplinen übersetzen unser Gesellschaftsbild und unsere Kultur in eine bauliche Form (Muthesius). Insofern: Ja, natürlich sind Planer*innen für die Zukunftsgestaltung relevant. Sie müssen bereits heute Themen prägen, die in anderen Bereich noch in der Zukunft liegen. Relevante Felder sind vor allem ökonomisch und ökologisch verantwortungsvolles und in die Zukunft gerichtetes Handeln, die EU-Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ finde ich in diesem Zusammenhang sehr begrüßenswert.
Wird der Nachwuchs auf die Herausforderungen der Zukunft gut vorbereitet?
„Fridays for Future“, „Architects for Future“, der Druck kommt vom Nachwuchs selbst, die Herausforderungen sind von ihnen bereits formuliert. Viele Hochschulen und Universitäten verfolgen leider noch immer das Ausbildungsziel des „entwurfsstarken Architekten“. Die Covid-Krise zeigt uns, was schon lange hätte vorangetrieben werden müssen: Flexible und vielfältige Arbeitsweisen, resiliente Prozesse, die Individualität und Unvorhergesehenes zulassen, interdisziplinäres Denken. Das ist vielleicht einigen „Bewahrern“ fremd, aber wir müssen uns darauf einlassen, Angst ist ein schlechter Berater.
Was möchten Sie den Planer*innen aus Ihrer Perspektive mit auf den Weg geben?
Gute Architektur und Innenarchitektur sind immer mehr das Ergebnis eines kooperativ verstandenen, gemeinschaftlichen Prozesses. Hierarchien helfen nur bedingt, alle Beteiligten sind Experten ihres Faches. Aufgabe der Planer*Innen ist es auch, die Moderation all dieser Bedürfnisse gelingen zu lassen und eine adäquate räumliche Entsprechung für sie zu finden. Ich möchte Mut machen für partizipative Prozesse und interdisziplinär vernetzte Arbeitsweisen als Bausteine für zukunftsgerichtetes, erfolgreiches Handeln.