Juniormitgliedschaft, geprüfte Fortbildung, Register & Co – mit der am 9. November 2021 vom Landtag verabschiedeten Novelle des Niedersächsischen Architektengesetzes (NArchtG) wurden nach einer jahrelangen Diskussion nunmehr wesentliche Forderungen aus dem Berufsstand umgesetzt. Einen Überblick hierzu sollen die nachfolgenden Ausführungen bieten. In den kommenden DAB-Ausgaben werden die Kernpunkte der Gesetzesänderung dann noch in einzelnen Beiträgen im Detail vorgestellt.
Die Genese
Das NArchtG wurde in den letzten Jahren mehrfach geändert. Da es bei diesen Novellen stets um die Umsetzung europäischer Vorgaben (z.B. Datenschutzgrundverordnung, Berufsanerkennungsrichtlinie, Verhältnismäßigkeitsrichtlinie) ging, die innerhalb bestimmter Fristen in das NArchtG implementiert werden mussten, wurden die Vorschläge der Kammer bei diesen Verfahren seitens der Politik stets zurückgestellt. Mit der nun erfolgten Novelle, die zum 1. Dezember 2021 in Kraft getreten ist, wurden die Anliegen des Berufsstandes umgesetzt. Die Kernpunkte der Gesetzesänderung sind Folgende:
Einführung einer Juniormitgliedschaft
Für die Eintragung in die Architektenliste ist insbesondere der Nachweis eines entsprechenden Studienabschlusses sowie das Absolvieren einer 2-jährigen berufspraktischen Tätigkeit in den wesentlichen Berufsaufgaben der Fachrichtung erforderlich, wovon schon bisher ein Jahr vor dem Abschluss des Masterstudiums nachgewiesen werden kann.
In die Liste der Juniormitglieder können Bachelor-Absolventinnen und Absolventen eingetragen werden, die ihre berufspraktische Tätigkeit bereits begonnen haben. Die Eintragung als Vollmitglied muss dann nach vier Jahren, zzgl. Masterstudiendauer, erfolgen. Zwar ist mit der Juniormitgliedschaft noch kein Recht zur Führung der Berufsbezeichnung und keine Bauvorlageberechtigung verbunden, aber den Juniormitgliedern stehen mit der Eintragung bereits die Serviceleistungen der Kammer (z.B. Fortbildung zum Mitgliedertarif, Rechtsberatung, Bezug des DAB, Existenzgründungsberatung) offen. Des Weiteren erhalten sie hierdurch den Zugang zum berufsständischen Versorgungswerk – der Bayerischen Architektenversorgung. Juniormitglieder erhalten zudem das aktive und passive Wahlrecht und können damit in die Vertreterversammlung und sogar in den Vorstand der Kammer gewählt werden.
Mit der Juniormitgliedschaft bietet die Kammer folglich über ihre Serviceleistungen für die Absolventen ein attraktives Angebot, das den Start in das Berufsleben erleichtern kann und gibt die Möglichkeit, sich von Anfang an politisch für den Berufsstand zu engagieren.
Da die Kammer jedoch nicht über die Kontaktadressen der Absolventen verfügt, möchten wir alle Mitglieder dazu aufrufen und darum bitten, die in die Büros eintretenden Absolventen auf dieses neue Angebot aufmerksam zu machen.
Register
In den Architektenkammern herrscht ein breiter berufspolitischer Konsens: Der Architekt als Generalist ist der Spezialist für das Ganze. Dieses Berufsbild soll im Grundsatz erhalten bleiben, muss aber auch zukunftsfähig weiterentwickelt werden.
Im Bauwesen ist eine zunehmende Komplexität wahrzunehmen. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, ist es erforderlich, Angebote als Ergänzung und zur Stärkung des generalistischen Fundaments den Mitgliedern anzubieten. Hierdurch soll auch vermieden werden, dass baubezogene Spezialthemen von Berufsgruppen außerhalb der Architektenschaft eingenommen werden.
Vor diesem Hintergrund hatten sich schon in den letzten Jahren bei den Architektenkammern unkoordiniert Zertifikate, Listen und Register gebildet. Um eine stärkere Einheitlichkeit bei den Themen, den fachlichen Anforderungen sowie den Verfahren zu erzielen, wurden auf Bundesebene bestimmte Spezialisierungsfelder ermittelt und Anforderungen an die Erfüllung der fachlichen Kompetenz erarbeitet.
Folgende Register besonderer Sachkunde wurden auf Bundesebene ermittelt:
- Brandschutz
- Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination
- Vergabe- und Wettbewerbsbetreuung
- Fachpreisrichter
- Energieeffizienz
Mit der Novellierung des NArchtG wurde eine Regelung eingeführt, wonach die Architektenkammer Niedersachsen nun befugt ist, durch Satzung einzelne Register für bestimmte Sachgebiete des Architekten- und Bauwesens einzurichten (§ 25 a NArchtG). Die Regelung ist hinsichtlich der Art der Register offen, sodass es einer Bestimmung durch die Vertreterversammlung bedarf, welche Register eingeführt werden sollen. Die Vertreterversammlung wird im Frühjahr 2022 darüber entscheiden.
Die Geschäftsstelle wird bis dahin entsprechende Satzungen in Anlehnung an den Konsens auf Bundesebene erarbeiten, die die Anforderungen und das Verfahren konkretisieren. Nach der Entscheidung könnten die ersten Anträge auf Eintragung in eines der Register gestellt werden. Hierzu wird die Kammer dann noch eingehende Informationen zur Verfügung stellen.
Geprüfte Fortbildung
Alle Mitglieder der Architektenkammer sind seit jeher zur regelmäßigen beruflichen Fortbildung verpflichtet, um den stetig sich ändernden und wachsenden Anforderungen in Technik, Ökologie, Recht und Gestaltung gerecht zu werden. So wird gewährleistet, dass der Berufsstand nicht nur bei Aufnahme in die Architektenliste hinreichend qualifiziert ist, sondern diese Qualifikation auch aufrechterhält und erweitert. Die meisten anderen Architektenkammern sind in den vergangenen Jahren nach dem Vorbild anderer freier Berufe, z.B. der Ärzte und Rechtsanwälte dazu übergegangen, diese Berufspflicht zu überprüfen, denn es handelt sich um einen zentralen Aspekt des Verbraucherschutzes.
Ab 2022 muss die absolvierte Fortbildung auch in Niedersachsen eigenverantwortlich dokumentiert werden und wird von der Architektenkammer überprüft.
Hierzu haben die Kammermitglieder den Besuch von mindestens 16 Fortbildungsstunden innerhalb von zwei Jahren nachzuweisen. Eine Fortbildungsstunde entspricht 45 Minuten. Da acht Fortbildungsstunden in der Regel einem Tagesseminar entsprechen, kann die Einhaltung der Vorgabe beispielsweise durch den Besuch von zwei Tagesseminaren erreicht werden. Es sind aber auch kürzere Seminareinheiten wie Halbtagsseminare denkbar. Als Minimum müssen zwei Fortbildungsstunden am Stück besucht worden sein. Veranstaltungen, die kürzer als 1,5 Stunden sind, werden also nicht anerkannt.
Bei der Überprüfung der Fortbildung wird zukünftig immer auf einen für alle Mitglieder identischen, einheitlichen Zweijahreszeitraum abgestellt, innerhalb dessen die 16 Fortbildungsstunden nachgewiesen werden müssen. Der erste Überprüfungszeitraum geht vom 01.01.2022 bis zum 31.12.2023 und wird ab 2024 überprüft.
Ein ausführlicher Artikel zu diesem Thema erscheint in der Januar-Ausgabe des DAB. Schon jetzt können Sie die Details unter www.aknds.de/mitglieder/fortbildung einsehen.
Anhebung der Studiendauer für die ILS-Fachrichtungen
Gegen den Willen der Architektenkammer wurde im Zuge der Umstellung der Studiengänge auf das Bachelor-Master-System (sog. Bologna-Prozess) die Studiendauer für die Eintragung in die Architektenliste für die Fachrichtungen der Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner in Niedersachsen von vier auf drei Jahre abgesenkt.
Aufgrund von Widerständen des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) war es lange Zeit der Kammer nicht gelungen, diesen Schritt rückgängig zu machen – anders als in den meisten anderen Bundesländern. Damit verschärfte sich zunehmend die Problematik, dass Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner aus Niedersachsen in anderen Bundesländern nicht anerkannt wurden.
Nach intensiven politischen Gesprächen hat der Landtag sich zu einer Anhebung entschlossen und das MWK ebenfalls überzeugt, sodass noch auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsverfahrens die Anhebung der Studiendauer der ILS-Fachrichtungen von drei auf vier Jahre für die Eintragung in die Architektenliste erreicht werden konnte – ein wichtiger Schritt für die Anerkennung in den anderen Bundesländern, aber auch ein wichtiger Schritt für die Qualitätssicherung in diesen Fachrichtungen und den Verbraucherschutz.
Abschaffung der Entwurfsverfasserliste
Im Sinne einer gesetzgeberischen Achterbahnfahrt konnte noch im letzten Moment die Abschaffung der Entwurfsverfasserliste erreicht werden. Dieses im ersten Gesetzentwurf enthaltene Ziel war zunächst wieder aus dem Verfahren ausgeklammert worden, konnte dann aber doch noch auf den letzten Metern wieder eingebracht werden. Damit wird die dem mitgliedschaftlich organisierten Kammersystem fremde Liste nunmehr geschlossen. Für die darin eingetragenen Personen wird eine dreijährige Übergangsfrist gewährt.
Modernisierung der Berufsaufgaben
Das Berufsbild der Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen ist stetigen Veränderungen unterworfen. Im Hinblick auf diese Veränderungen wurden die Berufsaufgaben nach § 2 NArchtG insbesondere in folgenden Bereichen erweitert bzw. präzisiert:
- Generalplanung
- Projektentwicklung
- Projektsteuerung
- Objektunterhaltung
- Tätigkeiten im Rahmen digitaler Planungsprozesse
- Lehrtätigkeit
Diese Änderungen werden sich erleichternd auf die Befreiungsverfahren zur Deutschen Rentenversicherung (DRV) auswirken, da die Berufsgesetze Grundlage für die Beantwortung der Frage sind, ob eine Tätigkeit den Berufsaufgaben der Architekten zuzurechnen ist, was Voraussetzung für eine Befreiung von der DRV ist.
Neben diesen Kernpunkten enthält die Gesetzesnovelle noch zahlreiche weitere Neuerungen wie beispielsweise
- die Anerkennung des Hochbaureferendariats als berufspraktische Tätigkeit,
- die Möglichkeit, Sitzungen der Vertreterversammlung in Ausnahmefällen auch als Videokonferenz durchführen zu können,
- eine Regelung zu Versorgungseinrichtungen oder
- eine Kostenregelung zu den berufsgerichtlichen Verfahren.
Fazit und Ausblick
Mit der Gesetzesreform ist der Kammer ein „großer Wurf“ gelungen, indem langjährige Forderungen des Berufsstandes nunmehr weitgehend durch den Gesetzgeber erfüllt wurden. Die Maßnahmen bilden einen wichtigen Schritt, um den Berufsstand zukunftsfähig zu machen, indem
- durch die geprüfte Fortbildung das Vertrauen der Auftraggeber in die fachliche Kompetenz der Architektinnen und Architekten gestärkt wird,
- die Juniormitgliedschaft den Absolventen frühzeitig eine Brücke zur Kammer baut und
- die Register den Kammermitgliedern die Möglichkeit bieten, Spezialkenntnisse nachzuweisen und dann auch werblich besser nutzen zu können.
Eine aktualisierte Fassung des Gesetzes ist zu finden unter: