Fokus auf ambitionierte Neubaustandards und Sanierung ist klimapolitisch überfällig
Bereits bei der Verabschiedung des im Jahr 2020 in Kraft getretenen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ist deutlich geworden: Die gesetzlich gestellten Anforderungen an Neubauten sind zur Erreichung der Klimaziele unzureichend. Weder war es gelungen das GEG einfacher und handhabbarer für Bauherren, Planerinnen und Planer zu formulieren, noch wurde mit dem Referenzhaus ein Gebäudestandard definiert, der sich am aktuellen technischen Status quo orientierte. Vielmehr wurde unter dem Eindruck des Mangels an bezahlbarem Wohnraum den lautstark vorgetragenen Prognosen zu steigenden Baukosten Glauben geschenkt. Im Ergebnis entschied man sich, das Anforderungsniveau des GEG bis mindestens 2023 auf dem Stand des Jahres 2014 zu belassen. Anstatt den eigentlich erforderlichen EH55-Standard zum gesetzlichen Mindeststandard zu machen, legte man sich darauf fest, diesen stattdessen großzügig zu fördern.
Erhöhung der Fördereffizienz ist fiskalisch folgerichtig
Zuletzt entfiel der mit Abstand größte Anteil der deutschlandweit zugesagten Gebäudeförderung auf EH55-Neubauten. Hier wurde mit der Gießkanne gefördert, was eigentlich längst durch das GEG hätte gefordert werden sollen. Aus Sicht des Fördergeldgebers, aber auch des Steuerzahlers, ist es daher folgerichtig, dass hier nachjustiert wird. Zur Einhaltung der Klimaziele auf nationaler und EU-Ebene brauchen wir in der Neubauförderung schnellstmöglich eine Orientierung hin zu anspruchsvolleren Standards. Außerdem muss die Sanierungsrate massiv vorangetrieben werden. Denn hier ist der Hebel für die Einsparungen von Treibhausgasen besonders wirksam. Dass die vorhandenen und nicht unbegrenzt zur Verfügung stehenden Fördermittel künftig effizienter eingesetzt und dorthin gelenkt werden sollen, wo sie einen möglichst wirksamen Beitrag zur Emissionsminderung leisten, ist aus BAK-Sicht folgerichtig.
Schlechtes Timing und schlechte Signalwirkung
Negativ bewertet die BAK, dass die Einstellung der EH55-Neubauförderung derart überstürzt vorgenommen wird. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ist mit der komplett novellierten Förderung systemischer Maßnahmen wie dem EH55 erst im Juli dieses Jahres an den Start gegangen. Dass weniger als ein Jahr später die EH55-Neubauförderung wieder eingestellt werden soll, ist alles andere als konsistent.
Vorübergehender Negativ-Effekt für den Klimaschutz zu erwarten
Neben der schlechten Signalwirkung befürchtet die BAK kurzfristig auch einen Negativ-Effekt für den Klimaschutz. Durch den Wegfall der EH55-Neubauförderung entsteht vorübergehend eine Lücke zwischen dem aktuell geltenden Neubau-Mindeststandard des GEG und dem geförderten EH40-Standard. Bauherren, Planerinnen und Planer haben dann die Wahl: Es müssen entweder mehr Geld und mehr Planungsaufwand aufgebracht werden, um die ursprünglich als EH55 vorgesehenen Neubauten auf den geförderten EH40-Standard zu bringen, oder es werden die im Vergleich zum EH55 schwächeren und durch das GEG geforderten Mindeststandards umgesetzt. Dafür verzichtet man dann auf die staatliche Förderung.
„Es ist zu befürchten, dass sich das Gros der Bauherren in dieser Konstellation für das Zurückschrauben der energetischen Ambitionen entscheiden wird“, sagt Markus Müller, Architekt und Vorsitzender des BAK Ausschusses Wirtschaft, Energie und Baukultur. Das, so Müller, könne aus Klimaschutz-Perspektive nicht gewollt sein. Müllers Forderung: „Klimaschutz braucht endlich eine vorausschauende, in sich konsistente Politik und keine kurzfristigen, chaotischen Entscheidungen! Planerinnen, Planer und Bauherren brauchen Planungs- und Kostensicherheit – und Vertrauen in die Verlässlichkeit der Gebäudeförderung.“
EH55-Förderung überarbeiten und Förderstopp bis zur Änderung des GEG verschieben!
Aus Sicht der BAK sollte die Einstellung der EH55-Neubauförderung bis zur geplanten Änderung des GEG und bis zu der durch das Klimaschutz-Sofortprogramm in Aussicht gestellten überfälligen Anhebung der gesetzlichen Neubaustandards verschoben werden. Für die Übergangszeit sollten die Förderbedingungen für den EH55-Neubaustandard überarbeitet werden. Denkbar wäre z.B., nur noch den ambitionierteren Standard der EH55 EE-Klasse zu fördern und den Förderbetrag abzuschmelzen. Außerdem sollte der Gesetzgeber garantieren, dass die neuen Förderbedingungen über einen langen Zeitraum gültig bleiben und kurzfristige Änderungen ausgeschlossen sind.