Wer, wie der Autor, wenige Minuten zu spät kam, musste lange suchen. Nicht nur nach dem Eingang, der aufgrund des angrenzenden Weihnachtsmarktes plötzlich auf der unüblichen Nordost-Seite des Alten Rathaus zu finden war, sondern auch nach einem freien Platz, in dem mit 200 Personen prall gefüllten Festsaal des Alten Rathaus im Zentrum Hannovers.
Anlass des Besucherandrangs war der erste – in Kooperation mit Niedersachsens Kommunalen Spitzenverbänden durchgeführte – Brandschutztag der Architektenkammer Niedersachsen. Moderiert von Kammer-Vizepräsidentin Christiane Kraatz widmete sich die halbtägige Veranstaltung den neuen und noch bevorstehenden Gesetzes-Änderungen und Besonderheiten des Brandschutzes in Niedersachsen, gab wichtige Praxistipps für Brandschutz-Maßnahmen und sensibilisierte mit seinen vielen unterschiedlichen Akteuren für das Verhältnis von Planenden und Baubehörden.
Schon zu Beginn stellte Christiane Kraatz fest, dass es nie eine hundertprozentige Sicherheit im Brandschutz geben kann. Es sollte zwar daran gearbeitet werden, diesem unerreichbaren Wert „100 Prozent“ nahezukommen, dabei sei jedoch stets mit Augenmaß vorzugehen und zu hinterfragen, wo Brandschutz-Maßnahmen wirklich Sinn ergeben und wo sie nur zusätzliche Bürokratie, Baukosten und Bauzeit verursachen. „Brandschutz ist immer ein Balanceakt zwischen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit“, betonte Kraatz und unterstrich die Notwendigkeit eines pragmatischen Ansatzes.
„Schauen Sie in die FAQ des Ministeriums“, war der wohl nachdringendste Tipp, den Katharina Hohenhoff von der Bauaufsicht der Region Hannover den Teilnehmenden mit auf den Weg geben konnte. Als einleitende Referentin stellte sie nicht nur die wichtigsten Regeländerungen der in diesem Jahr beschlossenen Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) in Bezug auf den Brandschutz vor, sondern bewertete diese zudem aus Sicht der Praxis.
Beim Bauen im Bestand wird die Verantwortung der Entwurfsverfassenden gestärkt – nicht zuletzt durch die häufig jetzt nicht mehr notwendige Prüfung und Genehmigung durch das Bauamt. Zugleich nimmt der Gesetzgeber mit der Novelle eine Absenkung des Sicherheitsniveaus in Kauf – ein mitunter kontrovers diskutierter Punkt im Publikum. Die Frage, ob dies tatsächlich zu einer einfacheren und schnelleren Umsetzung von Bauprojekten führen würde, wurde in der nach den Vorträgen platzierten Diskussionsrunde aufgegriffen.
In Niedersachsen soll er kommen, der Prüfingenieur für Brandschutz (PI BS), wie auch schon in anderen Bundesländern. Ein Verordnungsentwurf lag zur Zeit der Veranstaltung zur Abstimmung bei Wirtschaftsminister Olaf Lies. Constantin Viebranz aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium (MW) stellte die geplanten Regelungen vor, machte dabei aber auch deutlich, dass es bis zur Verabschiedung noch Änderungen geben könne. Zukünftig sollen die Baubehörden bei Gebäuden der Gebäudeklasse 5, Sonderbauten sowie Mittel- und Großgaragen einen PI BS hinzuziehen können – aber nicht müssen. Der PI könne mit der Prüfung des Brandschutznachweises, der Bauüberwachung und /oder den angeordneten Bauabnahmen hinsichtlich des Nachweises beauftragt werden. Die Letztentscheidung verbleibe jedoch bei der Baubehörde. Die Zulassung erfolge nach einem strengen Prüfverfahren durch das Ministerium. Prüfingenieure aus anderen Bundesländern sollen auch in Niedersachsen aktiv sein dürfen. Geteilte Meinungen im Auditorium brachte die vorgeschlagene Altersgrenze des PI BS hervor.
Dr. Mandy Peter präsentierte wesentliche Neuerungen der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL) 2024, darunter die Zulassung der Holztafelbauweise bis Gebäudeklasse 5 und erweiterte Möglichkeiten für Sonderbauten. Sie stellte die Reduzierung der Bekleidungsdicken für Massivholzbauteile und Holztafeln vor, welche bei bestimmten Bedingungen nun auch sichtbare Holzoberflächen erlauben. Ein Schwerpunkt lag auf den verbesserten Nachweismöglichkeiten für den Feuerwiderstand, gestützt durch die neuen technischen Baubestimmungen und die Überarbeitung der DIN 4102-4/A1. Die Erweiterung der Lösungsmöglichkeiten für Anschlüsse, Installationen und spezifische Anforderungen wie Brandsperren wurden ebenfalls hervorgehoben. Diese Neuerungen fördern nicht nur den nachhaltigen Holzbau, sondern erweitern auch die Anwendungsfelder bei gleichzeitiger Einhaltung der Brandschutzanforderungen.
Dass mit neuen Technologien auch neue Risiken verbunden sind, wurde im abschließenden Vortrag von Heiko Zies deutlich. Auch wenn an Wohnhäusern fachgerecht angebrachte PV-Anlagen mit 0,006 Prozent eine verschwinden geringe Wahrscheinlichkeit haben sich zu entzünden, ist auch hier Vorsicht geboten. Er empfiehlt, „nicht mit Scheuklappen auf das Baurecht zu schauen“. Er meint damit, dass das eigentliche Problem nicht selten im Versicherungsschutz entsteht. Versicherer würden häufig höhere Anforderungen an eine PV-Anlage und dessen Montage stellen als z.B. in der Bauordnung als mindestens notwendig empfunden – kurioserweise auch höhere Anforderungen als viele ortsansässige Berufsfeuerwehren. Die häufigste Ursache für Brände von PV-Anlagen liege in einer nicht fachgerechten Montage oder fehlenden Wartung. Auch hier ist eine hohe zusätzliche Verantwortung des Planenden die Konsequenz. Brandschutztechnische Probleme bereitet auch die Löschung von E-Autos. Wenn gleich die Brandlast im Verhältnis zum klassischen Verbrenner nicht höher ist, benötigt die aktive Löschung eines Fahrzeuges eine erhebliche fast doppelt so hohe Menge an Löschwasser, was für viele Freiwillige Feuerwehren aber auch für Berufsfeuerwehren eine große Herausforderung darstellt. Und selbst die Akkus von E-Bikes und E-Scootern können bei einer Entzündung erhebliche Schäden verursachen.
Die abschließende Podiumsdiskussion widmete sich insbesondere der Frage, welche Probleme im baulichen Brandschutz noch gesetzgeberisch angefasst werden müssten. Da das MW bereits eine nächste Novelle zur NBauO plant, ist es wichtig, die Schwierigkeiten aus der Praxis dem Gesetzgeber mit auf den Weg zu geben. Über die Ergebnisse dieses Prozesses zu berichten, könnte dann Gegenstand eines nächsten Brandschutztages von Architektenkammer und Kommunalen Spitzenverbänden sein. Dass dieser kommen sollte, war unter den Teilnehmenden Konsens. Vor allem aber auch die Personen auf der Warteliste, die dieses Mal nicht zum Zuge gekommen waren, würden sich sicher über eine neue Teilnahmechance freuen.
Vortragsunterlagen