Stets passt sich die Architektur den Bedürfnissen und dem technischen Fortschritt der Menschen an. Viele Bauwerke sind Zeugnisse des bis dahin Möglichen. Ebenso folgen die Gesetze diesen Bedürfnissen, wenn auch manchmal etwas später als die Wirtschaft. Doch dafür wurde die neue NBauO lange durchdacht, viel besprochen und mit frischem Make-up versehen, damit sie sich zum 1. Januar 2022 von der besten Seite zeigen kann.
Die neue NBauO ist smarter
Die NBauO kennt jetzt elektronische Kommunikation. Viele Anträge müssen spätestens ab dem 1. Januar 2024 mittels eines Nutzerkontos nach dem Onlinezugangsgesetz oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur auf elektronischem Wege an die Bauaufsichtsbehörden übermittelt werden. Die Niedersächsische Bauvorlagenverordnung musste dazu ebenfalls an die neue digitale Form angepasst werden und steht seit Bekanntmachung am 26. November 2021 in den Startlöchern (Details folgen in einer der kommenden Ausgaben). Die elektronische Kommunikation beinhaltet zukünftig insbesondere Anträge auf Baugenehmigungserteilungen, Abweichungen oder Mitteilungen über genehmigungsfreie Maßnahmen, die in digitaler Form an die Bauaufsichtsbehörden übermittelt werden. Die Anforderungen an die digital eingereichten Dateien finden sich übersichtlich in Anlage 1 zur NBauVorlVO. Weil die Bauherren über derartige zertifizierte Übermittlungsmöglichkeiten nicht verfügen, aber auch in Zukunft mitverantwortlich für Anträge sein sollen, behilft man sich. Anstatt einer eigenen Unterschrift der Bauherrin unter dem Bauantrag erteilt diese nun eine Vollmacht an den Entwurfsverfasser. Bis zum Stichtag dürfen Anträge oder Mitteilungen noch als Schriftstücke an die Bauaufsichtsbehörden eingereicht werden. Als Kammer hätten wir uns gewünscht, die Vorteile der elektronischen Kommunikation besser auszunutzen, indem einfache Prüfschritte automatisiert erfolgen. So könnte die Entwurfsverfasserqualifikation durch einen automatischen Abgleich mit den Datenbanken der Architekten- und Ingenieurkammern überprüft werden. Auch wenn unsere Empfehlung der gesetzlichen Verankerung eines automatisierten Abgleichs nicht umgesetzt wurde, bemühen wir uns zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden, die Verfahrenszeiten zu verkürzen.
Die NBauO ist auch umweltbewusster
§ 5 setzt den Abstand von Windenergieanlagen von 0,5H auf 0,25H herab, mindestens drei Meter Abstand müssen es aber nach wie vor bleiben. Wenn diese Windräder in qualifiziert beplanten Gewerbe- und Industriegebieten errichtet werden, ist dies bei Rotordurchmessern bis zu drei Metern verfahrensfrei. Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach § 63 steht bei Repowering-Maßnahmen zur Verfügung, auch falls es sich um Sonderbauten handelt. Photovoltaik dagegen wird mit § 32a verpflichtend. Und zwar dann, wenn ein Gebäude mit mindestens 75 m² Dachfläche überwiegend gewerblich genutzt und der Bauantrag nach dem 31. Dezember 2022 gestellt wird. Denn ab dann müssen mindestens 50 Prozent der Dachflächen dieser Gewerbebauten mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden. Bei Wohngebäuden reicht es aus, die Tragkonstruktion so zu bemessen, dass diese für eine Nachrüstung von Photovoltaikanlagen geeignet ist. Die Pflicht entfällt bei allen Gebäudenutzungen, wenn Photovoltaik technisch unmöglich, wirtschaftlich nicht vertretbar oder bereits eine Solarthermie-Anlage installiert ist.
Wir schenken Umweltschutzmaßnahmen gern Beachtung und sehen auch die Verpflichtung als wichtiges Signal. Unsere Bedenken an der jetzigen Fassung haben jedoch keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Die Kammer hatte sich für eine Ausweitung der Energiegewinnungspflicht auch auf landwirtschaftliche und öffentliche Gebäude eingesetzt. An der Festsetzung der Untergrenze von 50 Prozent der Dachfläche haben wir ebenfalls Kritik geübt. Denn diese führt in vielen Fällen dazu, dass bei Zugrundelegung der Bruttodachfläche nicht nur die sonnenintensiven Dachseiten bestückt, sondern auch sonnenabgewandte Seiten einbezogen werden müssen. Zudem werden durch diese Regelung günstige Panels gegenüber teuren hocheffizienten Panels gefördert. Eine umfängliche Dachbegrünung könnte zusätzlich erschwert werden.
Die NBauO ist nun großzügiger
Wohnraumschaffung und Materialknappheit sind Herausforderungen der Gegenwart, die die NBauO aufgreift. So lassen die Abstandsregelungen des § 5 Abs.10 beim Bauen im Bestand zusätzliche Dach- und Staffelgeschosse zu, wenn sich der Abstand dadurch nicht weiter verringert. Architekten können jetzt auf eine größere Materialvielfalt in ihren Planungen zurückgreifen, da auch der Einsatz von brennbaren Stoffen möglich wird, wenn dennoch die geforderte Feuerwiderstandsfähigkeit nachgewiesen werden kann (§ 26 Abs.3). Kostenintensive Aufzüge müssen in Bestandsbauten dann nicht mehr verpflichtend geplant werden, wenn höchstens zwei Geschosse bei einem Wohngebäude mit Baujahr vor 1993 nachträglich aufgestockt werden (§ 38 Abs.2). Bei Entwürfen einfacher Art kann die Bauherrin ohne Entwurfsverfasser eine Abweichung beantragen. Eine Änderung wurde auch bei dem Bauantragsverfahren nach § 67 vorgenommen. Die Bauaufsichtsbehörde erteilt Baugenehmigungen auch unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Nachweis der Standsicherheit innerhalb eines Jahres nachgereicht wird.
Die NBauO gibt manchmal nach
Dem Fachkräftemangel in den Bauaufsichtsbehörden tritt sie nicht entschieden entgegen, sondern gestattet mit dem § 57 Abs.4 nun einfacher, die Mindestanforderungen bei der beruflichen Qualifikation abzusenken. Dies mag zwar die Wiederbesetzung der offenen Stellen in den Bauaufsichtsbehörden fördern. Es könnte jedoch zulasten der Qualität bei den Verfahrensbearbeitungen gehen.
Und manchmal ist die NBauO auch strenger
Die Bauaufsichtsbehörden müssen nun sicherstellen, dass sie ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen. Einen Bauantrag müssen sie binnen drei Wochen nach Eingang auf seine Vollständigkeit überprüfen (§ 69 Abs.2). Aber auch Bauherren und Entwurfsverfasser werden diszipliniert. Bei Mängeln oder Unvollständigkeit von Bauanträgen oder Bauvorlagen gilt der Antrag als zurückgenommen, wenn nicht innerhalb von drei Wochen nach Ablauf einer gesetzten Frist die Mängel behoben wurden.
Die Kammer hat sich dafür eingesetzt, dass die Mängelbehebungsfrist nicht so starr sein sollte, wenn doch viele gute Gründe vorliegen können, warum die Frist nicht eingehalten werden kann. Unser Vorschlag, die Frist um drei weitere Wochen verlängern zu können, konnte als § 69 Abs.2 S.3 in die NBauO aufgenommen werden. Wenn alle ihren Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung leisten müssen, dann auch die Nachbarn. Diese müssen Einwendungen innerhalb von vier Wochen an die Bauaufsichtsbehörde übermitteln, denn sonst werden ihre Einwendungen im weiteren Genehmigungsverfahren ausgeschlossen.
Fazit neue NBauO
Ein bisschen straffer, ein bisschen natürlicher und etwas verspätet auf dem Weg in die digitale Gegenwart, so zeigt sich die NBauO nach der Verjüngungskur. Uns gefällt sie so ganz gut. Kein Wunder, sind das doch auch Attribute die zu uns Niedersachsen passen.
Zum Nachlesen
Die Änderungen der NBauO und der NBauVorlVO finden Sie im Nds. GVBl. Nr.43 und 44 unter:
https://www.niedersachsen.de/download/176743/Nds._GVBl._Nr._43_2021_vom_16.11.2021_S._731-753.pdf
und
https://www.niedersachsen.de/download/177265/Nds._GVBl._Nr._44_2021_vom_26.11.2021_S._755-817.pdf