Bauen soll in Niedersachsen schneller, einfacher und günstiger werden. Zu diesem Zweck wurde die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) geändert. Mit der beschlossenen Gesetzesänderung wurden insbesondere erhebliche Erleichterungen für Baumaßnahmen bei bestehenden Gebäuden sowie zur Förderung des Wohnungsbaus vorgenommen. Die wichtigsten Änderungen werden in diesem Beitrag überblicksartig dargestellt.
Einleitung
Als Reaktion auf die anhaltende Krise in der Bau- und Wohnungswirtschaft haben sich die Bundesregierung und die Bundesländer im November 2023 auf den „Bau-Turbo-Pakt“ geeinigt, mit dem der Wohnungsbau in Deutschland angekurbelt und beschleunigt werden soll. Der niedersächsische Gesetzgeber hat die vereinbarten Maßnahmen mit der am 17. Juni 2024 beschlossenen NBauO-Novelle 2024 umgesetzt. Die Gesetzesänderung geht jedoch deutlich darüber hinaus und schafft zudem Erleichterungen für das Bauen im Bestand. Die Neuregelungen werden als „Umbauordnung“ in die NBauO integriert. Die Änderungen treten zum 1. Juli 2024 in Kraft.
Neue Erleichterungen bei Umbaumaßnahmen und Nutzungsänderungen
In der Praxis hat sich herausgestellt, dass insbesondere bei baulichen Änderungen, wie zum Beispiel Aufstockungen und dem Einziehen von neuen Wänden, an Schnittstellen zwischen alter Bausubstanz und neu hinzukommenden Bauteilen Schwierigkeiten bezüglich der jeweils geltenden Anforderungen bestehen. Diese Hemmnisse sollen durch den neuen § 85a NBauO beseitigt werden, der das zentrale Regelungselement für Umbaumaßnahmen und Nutzungsänderungen darstellt.
Soll ein bestehendes Gebäude baulich durch Aufstockung, Umbau oder Ausbau oder in seiner Nutzung geändert werden, so müssen gemäß § 85a Abs. 1 Satz 1 NBauO die von der Baumaßnahme betroffenen vorhandenen und neuen Bauteile, insbesondere Wände, Stützen, Decken, Böden, Dächer und Treppen, nur die Anforderungen nach § 3 Abs. 1 NBauO erfüllen. Zwar müssen die von der Baumaßnahme betroffenen vorhandenen und neuen tragenden Bauteile geeignet sein, zusätzlich entstehende Lasten aufzunehmen (§ 12 NBauO), ebenso muss der Brandschutz gewährleistet sein (§ 14 NBauO). Die zur Konkretisierung der §§ 12 und 14 NBauO ergangenen Vorschriften müssen jedoch nicht erfüllt werden (§ 85a Abs. 1 Satz 2 NBauO), insoweit wurde eine Abkoppelung von der Verpflichtung vorgenommen, ein bestimmtes Regelwerk einzuhalten.
In § 85a Abs. 2 NBauO werden Ausnahmen aufgeführt, bei denen § 85a Abs. 1 NBauO nicht gilt. Hier sind vor allem Anbauten und Sonderbauten zu nennen. Die Erleichterungen des § 85a Abs. 1 NBauO gelten außerdem nicht, wenn auf Verlangen des Bauherrn das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 62 Abs. 10 NBauO durchgeführt wird.
§ 85a Abs. 3 NBauO regelt, was der Entwurfsverfasser in den Bauvorlagen darzustellen und was er nachzuweisen hat. Insbesondere sind Abweichungen von den aktuellen Vorschriften zu dokumentieren.
§ 85a Abs. 4 Satz 1 NBauO gibt vor, dass die Anforderungen an Gebäude und Bauteile zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien für die Wärme- und Kälteerzeugung aufgrund anderer Rechtsvorschriften unberührt bleiben. Gemeint ist hier zuvorderst das GEG. Nach § 85a Abs. 4 Satz 2 NBauO gilt Gleiches für alle nutzungsbedingten Anforderungen sowie die sonstigen Anforderungen des öffentlichen Baurechts, die nicht nur von Bauteilen zu erfüllen sind. Damit wurde klargestellt, dass sich die geschaffenen Erleichterungen nur auf „Bauteile“ beziehen – die auf die Nutzung bezogenen Anforderungen bleiben bestehen, wie beispielsweise die Anforderungen an Aufenthaltsräume und Wohnungen nach §§ 43 und 44 NBauO. Auch die Rettungswege sind zu gewährleisten.
Für die Erleichterungen, die nach § 85a NBauO zum Tragen kommen, bedarf es keiner Abweichungen (§ 66 Abs. 1 Satz 5 NBauO). Die Abweichungen sind bereits von Gesetzes wegen erlaubt.
Keine Stellplatzpflicht bei Wohnungen mehr
Die in § 47 Abs. 1 Satz 1 NBauO normierte Pflicht, bei der Errichtung von baulichen Anlagen für die notwendigen Kraftfahrzeug-Einstellplätze zu sorgen, sowie die in § 47 Abs. 1 Satz 2 NBauO geregelte Vorgabe, im Falle einer Nutzungsänderung einen gegebenenfalls erforderlichen Mehrbedarf an Einstellplätzen herzustellen, wurde für Wohnungen aufgehoben (§ 47 Abs. 1 Satz 3 NBauO). Diese Erleichterung gilt auch für Gebäude, in denen unterschiedliche Nutzungsformen in den Wohnungen vorzufinden sind. Für die Kommunen ist die Möglichkeit entfallen, durch örtliche Bauvorschriften bzw. Satzungen die erforderliche Zahl an Stellplätzen festzulegen.
Neue Genehmigungsfiktion
Im neuen § 70a NBauO ist u. a. für bestimmte Baumaßnahmen zur Herstellung von Wohnraum eine Genehmigungsfiktion vorgeschrieben. Die Genehmigungsfiktion tritt nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ein (§ 42a Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Die Frist beginnt mit Eingang der vollständigen Unterlagen (§ 42a Abs. 2 Satz 2 VwVfG).
In begründeten Einzelfällen kann die untere Bauaufsichtsbehörde – sofern die Schwierigkeit der Angelegenheit dies rechtfertigt – die Frist einmalig angemessen verlängern. Maßgeblich ist das objektive Vorliegen von Umständen, die die Schwierigkeit der Angelegenheit begründen, und nicht die Einschätzung der Behörde. Ein hinreichender Grund für die Fristverlängerung kann nicht die Überlastung der Behörde sein. Vielmehr bedarf es atypischer Umstände und die Bearbeitung muss einen höheren Zeitbedarf erfordern als das typische Verfahren zur Prüfung der beantragten Genehmigung. Wenn die Verlängerungsvoraussetzungen nicht vorliegen, tritt die Genehmigungsfiktion mit Ablauf der Entscheidungsfrist ohne Weiteres ein.
Genehmigungsfreie Baumaßnahmen ausgeweitet
Der Anwendungsbereich des § 62 Abs. 1 NBauO ist um einen neuen Absatz 1a erweitert worden. Dieser Absatz beinhaltet verfahrensrechtliche Erleichterungen für Umbaumaßnahmen nach § 85a NBauO, für die beim Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 nur ein Mitteilungsverfahren nach § 62 Abs. 3 Satz 1 NBauO durchzuführen ist.
Grundlegend neu konzipiert wurde auch § 62 Abs. 2 NBauO. Eine Genehmigungsfreiheit kann auch bei einfachen Bebauungsplänen gemäß § 30 Abs. 3 BauGB (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 b) NBauO) sowie in Gebieten nach §§ 34 und 35 BauGB vorliegen (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 c) NBauO).
Grenzabstände
Die grundsätzlichen Grenzabstände nach § 5 Abs. 2 NBauO wurden von 0,5 H auf 0,4 H und in Gewerbe- und Industriegebieten von 0,25 H auf 0,2 H reduziert.
Abweichungen
In § 66 Abs. 1 Satz 2 NBauO sind neue Abweichungstatbestände für Nutzungsänderungen, Baumaßnahmen, die der Modernisierung, dem Ausbau oder dem Erhalt bestehender Gebäude dienen, sowie bei Baumaßnahmen zur Erprobung neuer Bau- und Wohnformen (Gebäudetyp E) aufgenommen worden.
Sonstige Änderungen
Neben weiteren Änderungen, u. a. bei den Vorgaben zum zweiten Rettungsweg (§ 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 NBauO), zu Aufzügen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 NBauO) und zu Fahrradabstellanlagen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 NBauO), wurden im neuen § 73a Abs. 5 NBauO Typengenehmigungen anderer Länder anerkannt. Ferner wurde ein neuer § 85b NBauO für ortsveränderliche Wohngebäude aufgenommen. Änderungen gibt es auch beim Anhang zur NBauO.